Gedanken zur Fastnacht

Spielverderber gibt es immer.
Jesus gehörte nicht zu ihnen.

"Am dritten Tag war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa. Die Mutter Jesu war auch da. Auch Jesus und seine Jünger waren auf die Hochzeit geladen. Und da es an Wein fehlte, spricht die Mutter Jesu zu ihm: "Sie haben keinen Wein!" Jesus spricht zu ihr: "Weib, was geht's dich an, was ich tue! Meine Stunde ist noch nicht gekommen". Seine Mutter spricht zu den Dienern: "Was er euch sagt, das tut". Es waren aber allda 6 steinerne Wasserkrüge gesetzt nach der Sitte der jüdischen Reinigung, und es gingen in jeden 2 oder 3 Maß. Jesus spricht zu ihnen: "Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!" und sie füllten diese bis oben hin an. Und er spricht zu ihnen: "Schöpft nun und bringt´s dem Speisemeister!" und sie brachten's ihm."

(Joh 2, 1ff)

Pfarrer Winfried Anslinger am 10. Februar 2002


Ich muss hier einmal unterbrechen. 6 steinerne Wasserkrüge. Das waren die Behälter, in denen das Wasser aufbewahrt wurde, mit dem die Gäste sich wuschen, nachdem sie das Anwesen betreten hatten. Eine alte orientalische Sitte, die heute noch praktiziert wird. Bei den Muslimen beispielsweise, wenn sie die Moschee betreten. Es gab kein fließend warm und kaltes Wasser damals. So musste man bei einer Hochzeit mit vielleicht 200 Gästen einiges für diesen Zweck heranschaffen, wenn es keinen Brunnen auf dem Anwesen gab. Als Maria das Missgeschick mit dem Wein bemerkte, waren die Wasserkrüge bereits leer, weil das Fest ist in vollem Gange war. Und jetzt werden sie wieder gefüllt. Keine Arbeit für einen Mann allein. Zwei oder 3 Maß pro Krug waren um einiges mehr als eine bayrische Maß. Es dürfte einem Hektoliter pro Krug entsprochen haben, da mussten 2, 3 kräftige Männer anpacken. Sechs Hektoliter Wein. Für 200 Gäste. Macht 3 Liter pro Gast. Guter, fruchtiger Südwein. Sehr guter sogar, wie sich gleich herausstellt.

Denn die Geschichte erzählt weiter:

"Als der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam, rief er den Bräutigam und sagt: "Jeder serviert doch den guten Wein zu Beginn und den geringeren erst, wenn alle trunken sind. Warum hast Du den guten Wein zurückgehalten?" Der Küchenchef kann es nicht fassen. Bewundernd und ein wenig ärgerlich wegen des guten Tropfens meint er: Schade um den guten Wein, den jetzt keiner mehr so recht würdigen kann, weil sie alle schon knülle sind.

Leider erfahren wir nicht, was weiter passiert ist auf diesem Fest. Oder ist es besser so? Jedenfalls, als das Weinwunder passierte, war die Stimmung schon sehr ausgelassen. Und dann noch 3 Liter dazu für jeden. Wie soll das enden? Auf gut bürgerlich christliche Weise sicherlich nicht. Eher so wie in Homburg am Rosenmontag. Viele würden so eine Veranstaltung als Saufgelage bezeichnen und mahnen, dass man die Kirche doch im Dorf lassen soll. Was das denn für Sitten wären.

Wir müssen diese Leute beruhigen. So waren damals die Sitten. Nirgendwo in der Bibel finden wir den Satz, dass der Genuss von Wein oder anderen Alkoholika verboten sei. Gottlose werden manchmal als Säufer bezeichnet. Aber da ist die Trunksucht Folge des Unglaubens, nicht Ursache. Wäre das Trinken Ursache für die Gottlosigkeit, wäre es Sünde und mit Sicherheit verboten. Trinken wird aber an keiner Stelle als Sünde bezeichnet. Das ist bezeichnend. Abstinenzler können sich auf die Bibel nicht berufen. Eher könnten sie den Koran zitieren, doch selbst dort ist der Alkohol nicht vollkommen verboten. Sonst könnte man im Geschäft keinen türkischen Wein kaufen. Es gab sogar Kalifen, die einen guten Tropfen schätzten. Auch im alten Israel wuchs guter Wein, man verstand zu feiern, und was an der Weinstraße heute die Winzerfeste sind, wurde damals als Laubhüttenfest begangen. Allerdings nicht übers Wochenende, sondern eine volle Woche lang.

Gewiss wird es auch welche gegeben haben, die mit erhobenem Zeigefinger auf die Auswüchse hinwiesen, die bei solchen Gelegenheiten leider unvermeidlich sind. Auch in Kana wird der eine oder andere gedacht oder geflüstert haben: "Da seht diesen Jesus. Was soll der viele Wein, wo viele schon nicht mehr gerade stehen können ? Hätte er besser mal ein paar Kranke geheilt".

Und vielleicht war auch ein Zelot dabei, der dachte: "Wenn er so gut Waffen schmieden könnte wie er Wein macht, hätten wir schnell die Römer aus dem Land gejagt".

Spielverderber gibt es immer. Jesus gehörte nicht zu ihnen, weshalb diese Kreise ihn gelegentlich als einen "Fresser und Weinsäufer" schalten.

Und wie um das Maß voll zu machen, bemerkt der Evangelist am Ende des Abschnitts auch noch lakonisch: "Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Kana in Galiläa. Und Jesus offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn".

Glaubten an ihn, weil er so viel Wein gemacht und vielleicht auch getrunken hatte. Es ist die Wahrheit: Das erste Wunder, das Jesus tat, galt einem Hochzeitsfest, wo die gute Stimmung in Gefahr war, weil der Wein ausging. Galt einer Feier, die viele als Saufgelage bezeichnen würden. Nach Johannes, dem Evangelisten ging's jedenfalls nicht um hochernste Angelegenheiten. Nicht um Krankheit, Elend oder Tod, nicht um den rechten Glauben, nicht um Fasten oder Gebet.

Das soll man sich gut merken. Das Himmelreich fängt nicht mit Heulen und Zähneklappern an, sondern mit Genuss und Gelächter.

Einen solchen Jesus sind wir nicht gewöhnt, weil ihn die Evangelien meist in ernsten, dramatischen Szenen schildern.

Aber so ist der wirkliche Jesus gewesen, der Mensch, der zum Anfassen, der lacht, tanzt und Witze erzählt. Der Streit mit seiner Mutter hat, weil die ihm immer vorschreiben will, was er zu tun hat.

"Weib, was geht's dich an, was ich tu ?", herrscht er sie an. Heißt es nicht, du sollst Vater und Mutter ehren? So spricht man doch mit seiner Mutter nicht! hören wir die Moralapostel predigen. Jesus dreht sich um und lässt sie links liegen.

Die Hochzeitsgäste werden bei so jemand nicht scheu und stumm auf die Seite gerückt sein, wenn er dazu kam. Bei diesem Rabbi, von dem sie alle sprachen und dem doch nichts Menschliches fremd zu sein schien... Im Gegenteil, sympathisch werden sie ihn gefunden haben, mit seinen kleinen Schwächen. Und das Wunder mit dem Wein haben eh nur ein Paar mitbekommen. Es heißt ja nur, die Jünger seien gläubig geworden. Nicht die Hochzeitsgäste. "Seht, der Jesus gibt einen aus!", wird man gerufen haben. Und "Komm Jesus, setz dich zu uns. Wir haben uns gerade unterhalten. Du kennst dich doch mit allem aus".

Im Bauerntheater ist es ganz anders. Da wird die Hochzeit erst richtig lustig, wenn der Herr Pastor gegangen ist. Das muss uns zu denken geben. Ein solches Bild gibt die Kirche ab. Dem entspricht, dass besonders in evangelischen Gemeinden bis in die 60er Jahre keine Fastnacht gefeiert wurde, dass es geradezu verpönt war.

Das hat sich Gott-sei-Dank geändert. Die Moralisten sitzen heute anderswo. In Stadtverwaltungen beispielsweise, wo man sich darüber mokiert, dass der Rosenmontag in unserer Stadt sich mittlerweile zu einem chaotischen Gelage entwickelt hat.

Doch seien wir nüchtern:

Was ist daran so schlimm? Das verschüttete Bier? Die Plastikbecher auf der Straße? Die könnten vermieden werden, wenn die Wirte ein wenig vernünftiger wären.

Dass es so laut ist? Autolärm ist schlimmer und muß täglich ertragen werden. Wird als unvermeidlich hingenommen.

Dass Schnapsleichen auf der Straße liegen? Wenn sie zuhause liegen würden, wär's auch nicht besser. Bestimmte Straßen kann man sperren.

Dass kein Durchkommen für Rettungswagen ist? Das wäre anders, wenn die Musik auf Plätzen spielte statt in engen Gassen. Wie es beim Oktoberfest gemacht wird.

Dass Betrunkene Auto fahren? Das ist schlimm und müsste verhindert werden. Durch strikte Polizeikontrollen. Ausgerechnet die werden aber nicht gemacht. Hier liegt ein Missstand.

Und dass Schlägereien passieren? Das ist auch schlimm. Doch wenn sie auf einen Platz sich konzentrieren, kann die Polizei schneller eingreifen. Man hat es besser im Griff als wenn sich's auf sämtliche Wohngebiete verteilt.

Ob jedoch das Bier zuhause, im Wirtshaus, auf dem Umzug oder in der Homburger Innenstadt getrunken wird, ist der Leber egal.

Man hat den Eindruck, die Empörung unserer Verwaltungen richtet sich nicht zuletzt auch gegen das Unkontrollierte, Lustbetonte, Anarchistische, das diesen Tag charakterisiert. Jeder spricht jeden an. Die Mädels sind offenherzig. Die Kerls sind verkleidet und trau'n sich, was sie sonst sich nicht trau'n. Mancher läßt die Sau raus. Unser Hobmburger Chaostag. Hat er nicht auch sein Gutes? Früher auf den Dörfern gabs die Kerb, Ventile waren immer nötig. Einen Tag Fastnachtsanarchie für Leute, die sonst in der Nacht aufstehen und auf Schicht müssen, die 8 Stunden an der Maschine stehen und nichts falsch machen dürfen, die von ihren Lehrern oder Chefs zusammengeschissen werden. Muss man da so streng sein?

Gewiss gibt es sinnvollere Freizeitbeschäftigungen als sich die Kanne zu geben. Doch besser einmal im Jahr als jeden Tag.

Das Problem ist nicht der Alkohol. Das Problem ist eine Gesellschaft, die von manchen zu viel verlangt. Das Problem ist eine Gesellschaft, die Kinder nicht mehr erzieht, so dass sie weder Grenzen, noch Ziele mehr kennenlernen.

Also: ein bisschen mehr Gelassenheit, ein bißchen mehr Steuerung im Hintergrund, brächte mehr als Verbote. Der Rosenmontag wird stattfinden. Das Verbot wäre nicht durchzusetzen gewesen. Es gibt Auflagen für die Wirte. Das ist richtig so. Hoffentlich sind's die richtigen Auflagen. Man wird sehen.

Zurück nach Kana. Da ist das Fest fast vorbei. 3 Tage und Nächte. Die Krüge sind leer. Die meisten schlafen ihren Rausch aus, andere rüsten zum Aufbruch. Man verabschiedet sich und lacht, trotz des schweren Kopfes. Man weiß: Bald sehen wir uns wieder. Bald heiratet wieder einer.

Irenäus, ein Mann der frühen Kirche, wurde gefragt, ob es denn wirklich nötig gewesen sei, den Leuten zu Kana so viel Wein zu geben.

Ja, sagte der Kirchenvater. Es war richtig, den Leuten so viel Wein zu geben. Wir trinken doch noch heute davon.

Schöne Fastnacht.

 

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