Gedanken zum Älterwerden
Mick Jagger ist auch nicht mehr der Jüngste.
Pfarrer Winfried Anslinger am 8. Dezember 2006
Es heißt, wenn die Rolling Stones auf Tournee gehen, vergisst Mick Jagger neuerdings die Texte, die er singen soll. Damit es keine peinlichen Ausfälle gibt, montiert man ihm jetzt einen Teleprompter auf die Bühne. Das ist eine Glasscheibe, auf welcher man einem Sänger oder Redner den aktuellen Text vor die Nase projizieren kann - für die Zuschauer ist sie unsichtbar. Diese glauben, er spreche frei, in Wirklichkeit liest er ab. Viele Prominente benutzen das, es heißt, George Bush brauche den Teleprompter besonders häufig. Aber zurück zu Mick Jagger.
"Na und?" sagt mein Freund Henry, "Wenn man 63 ist, darf man doch wohl auch mal was vergessen!"
"Aber hör mal, bei diesen Songtexten hat sich seit Jahrzehnten nix verändert. Der hat in der Zwischenzeit einfach zu viel gesoffen."
"Für sein Alter ist der Knabe aber immer noch ganz schön straight!", entgegnet mein Freund Henry und steigt in seinen papillonsilvernen BMW, auf dessen Beifahrertür immer noch der "Vodoo Lounge" Aufkleber von der vorletzten Europatournee prangt.
Kurz darauf, während er das Gaspedal bis zum Bodenblech hinunter führt, meint er: "An den Stones, da könnt´ sich manch einer noch ´ne Scheibe abschneiden."
Wir biegen mit quietschenden Reifen in die Seitenstraße ein.
"Ja gut, aber irgendwann wird das doch peinlich, so mit Lederjacke auf der Bühne und Jumpin`Jack Flash."
"Da iss halt immer noch unwahrscheinlich viel power dahinter, verstehst du? Außerdem, dir würd´s auch nix schaden, wenn du wieder mal mitkämst zum Paragliding oder zum Klettern nächste Woche fahren wir". Ich erinnere mich dunkel an eine Einladung in die Dolomiten.
"Also ehrlich Henry, mir ist das alles zu anstrengend", sage ich und denke: Irgenwann muss es doch mal reichen. Älter werden ist so schlimm doch auch wieder nicht. Mir gefallen Bach und Vivaldi jetzt viel besser als früher und ich freu' mich immer, wenn ich mal Zeit zum Lesen finde.
