Gedanken zu unserer Kultur

Macht.

Pfarrer Winfried Anslinger am 9. Dezember 2006


Die Hofburg zu Wien ist bekannt für ihre prachtvolle Ausstattung: Kaisergemächer und Sissizimmer, die Hofreitschule und eine Anzahl von Museen beherbergen viele Zeugnisse einer glanzvollen Geschichte. Wer sich in den alten Teil der Anlage begibt, kann dort etwas ganz Besonderes finden. In einem stahltürgesicherten Keller wird eine Sammlung aufbewahrt, die einmalig ist in der Welt. Der Kronschatz der alten deutschen Kaiser. Jahrhunderte lang hatten die Habsburger, die hier residierten, den Kaisertitel inne, bis zum Ende des alten Reichs im Jahr 1805. Als der letzte Habsburger die Krone niederlegte, blieb das Ganze einfach hier liegen.

Hinter dickem Panzerglas kann man jetzt die Insignien der vergangenen Machtzentrale Europas bestaunen: Kostbarkeiten in Edelmetall und Stein, den 1000 Jahre alten Krönungsmantel, Zepter, Reichsapfel, Krönungskreuz. Am meisten beeindruckte mich die Kaiserkrone, die 800 Jahre lang das Symbol des Abendlandes war. Bei den Krönungszeremonien in Rom und später in Frankfurt wurde sie den frisch Gewählten aufs Haupt gesetzt. Sie ist nicht groß, hat etwa die Form wie ein Gugelhupfkuchen, mit einem Bogen über dem Rund, der ein edelsteinbesetztes Kreuz trägt. Auf den Seitenplatten sind in Emailarbeiten biblische Motive zu erkennen, die um das Thema Schutz und Hilfe durch Gottes Gnade kreisen.

Wer sie trug, bekannte sich zu einer Religion, deren Reich zwar nicht von dieser Welt ist, die ihr Diesseits jedoch immer zu gestalten wusste. Man spricht vom christlichen Abendland. Hier war Macht z.B. immer begrenzt durch den Zweck, Schutz und Wohlfahrt für das Volk der Gläubigen zu verwirklichen. Nie hat ein christlicher Kaiser sich als Gott oder Himmelssohn gefühlt, selten als Tyrann sich gebärdet, wie man das sonst von Cäsaren kennt. Das hält sich durch bis in die politischen Theorien der Neuzeit, wo das Glück der Untertanen zum Staatsziel erklärt wurde, bis hin zur modernen Demokratie, die Parteien darum wetteifern lässt, ihren Wählern möglichst viel Gutes zu tun. Manchmal wird es zu viel. Grund für all das war die christliche Grundhaltung, wonach man dem Nächsten Bruder und Schwester sein soll, kein Raubtier. Statt Befehl, Drohung und Gewalt sollen Liebe und Barmherzigkeit den Umgang bestimmen. Nicht immer wurde das beachtet, doch als Ideal hat es entscheidend gewirkt. Die Grundhaltung geht auf das Liebesgebot Jesu zurück. Die Liebe sei die größte aller Gaben, schrieb Paulus. Das waren keine weltfremden Wünsche. Es hat die Welt verändert. Zum Guten. Und wir profitieren heute noch davon, auch wenn der Kaiser längst sein Recht verloren hat.

 

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