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Gedanken zur Magie des Festes
Weihnachten - Aufbruch zur
Expedition ins Leben.
Matthäus 2, 1 - 1
Pfarrer Winfried
Anslinger am 24. Dezember 2002
3 weise Männer unterwegs. Einem Stern hinterher. Wer
weiß, was die gesehen haben. "Magier" nennt sie die Bibel.
Unsere Folklore hat sie zu Caspar, Melchior Balthasar gemacht und lässt
sie am 6. Januar noch einmal sternsingend als heilige 3 Könige durch
die Gemeinden ziehen. Das ist löblich, aber die Magier waren keine
Machthaber mit Krone: Wissenschaftler würde man sie heute nennen,
Leute, die sich auskannten: Mit dem Goldmachen und der Heilkunst, mit
Sterne deuten und Pülverchen machen, sie kannten Kräutlein gegen
Blähungen und Pestilenz, selbst das Austreiben böser Geister
war ihr Metier. Aber lassen wir sie ruhig auch Könige sein und heilig
dazu. Lady Diana war schließlich auch eine Königin der Herzen.
Auf die Bedeutung kommt es an, die man einer Person beimisst, was sie
zu bewegen vermag in den Herzen. Die Tradition will in ihnen weise und
zugleich bedeutende Menschen sehen, Vertreter der 3 Erdteile, die man
damals kannte: Asien, Afrika, Europa. Einer ist schwarz, einer hat den
Turban auf, der dritte die Krone. Soll sagen: die Klügsten und Besten
der Welt haben früh erkannt, was sich da vorbereitet.
Woher sie das wissen? Von den Sternen? Die Sterne lügen
nicht, heißt es. Wie sollten sie auch?
Bis auf den heutigen Tag ist Wissenschaft mit einer Aura
des Magischen umgeben.
Trotz nüchterner Laboratmosphäre, trotz weißer
Kittel oder vielleicht gerade wegen der weißen Kittel, die manchem
Ehrfurcht einflößen, Ehrfurcht wie vor einem Priestergewand.
Was wissenschaftlich erwiesen ist, steht fest. Da rüttle keiner dran.
Doch ist es keine schwarze Magie, deren sich unsere Magier bedienen. Sie
wollen niemandem schaden und keine ungerechtfertigte Macht über andere
erringen wie so mancher selbst ernannte Lebensberater. Auch scheinen sie
nicht käuflich zu sein wie ach so viele Magier im weißen Kittel
heutzutag. Ihnen geht es nur um die Wahrheit. Was geschieht da am Himmel?
Eine seltsame Erscheinung wurde festgestellt. Ein riesiger Stern. Oder
ein Komet? Eine Konstellation, die bisher noch nicht beobachtet wurde.
Die wissenschaftliche Gemeinde staunt und diskutiert. Es werden Theorien
aufgestellt und verworfen. Am Ende beschließt man, weitere Forschungen
anzustellen, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen. Eine Expedition
soll die genauen Sachverhalte erkunden.
Das ist weder Horoskop noch Aberglauben im Spiel. Vor dem
Hintergrund der damaligen Kenntnisse ist das ein ordentliches Verfahren.
Sterne waren Götter. Die Götter thronten am Himmel. Sie zeigten
ihren Willen, indem sie Throne rückten, Feuer warfen, Blitz und Donner
schickten, Regen zuteilten oder vorenthielten. Astronomie treiben bedeutete,
den Willen der Götter zu erforschen. Das war eine ernsthafte, lebensdienliche
Aufgabe. Sie gab Antwort auf letzte Fragen.
Welche Fragen beantwortet die Astronomie uns?
Nichts hat unser Weltbild so verändert wie der Blick
an den Himmel. Fernrohr und Radioteleskop haben geistige Revolutionen
erzeugt. Wir leben nicht mehr in einem dreistöckigen Weltgebäude,
einem geschlossenen Raum, wo Götter die Himmelsmechanik bedienten.
Unser Weltraum ist grenzenlos, aber nicht weniger geheimnisvoll. Er ist
grenzenlos, aber nicht unendlich groß. Die Grenzenlosigkeit ist
möglich, weil er in eine 4. Dimension gekrümmt ist, die wir
nicht sehen. Wahrscheinlich gibt es noch mehr Dimensionen, die wir berechnen,
aber uns nicht vorstellen können. Man kann unzählige Sterne
beobachten, angeordnet in Sternhaufen und riesigen Galaxien, doch ihre
Zahl ist auch nicht unendlich, sonst müsste die Nacht taghell sein.
Endlich ist alles, auch die Zeit. Sterne entstehen und vergehen in gewaltigen
Explosionen. Erst diese Katastrophen backen die Elemente, aus denen unsere
Erde besteht und auch wir selbst. Alles hat Anfang und Ende. Das Ende
des einen begründet den Anfang des anderen. Und auch dieser Reigen
des Werden und Vergehens biegt sich zu einem großen Rad. Darin ist
sogar die Zeit relativ. Was wir am Himmel sehen, ist längst vergangen.
Je weiter wir blicken, desto tiefer sehen wir in die Vergangenheit. Die
Zukunft aber bricht immer erst im Auge des Beobachters hervor. Sie wartet
an jedem Punkt des Universums auf ihre Zeit und jeder Punkt ist zugleich
der Weltmittelpunkt.
Nicht weniger magisch erscheint, was wir heute wissen von
Himmel und Sternen, von Gott und Welt. Welche Antworten gibt uns der Blick
nach oben?
Gestellt sind die gleichen Fragen nach woher und wohin.
Es gibt jedoch einen Haupt-Unterschied in der Antwort:
Im Weihnachtsstern erscheint ein hoffnungsvolles Zeichen
am Himmel. Eine Willenserklärung der ewigen Götter, die wir
heute vermissen. Gott lässt Engelsheere aufmarschieren und verkündigen:
große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Er läßt
verkündigen den Christus, den Erlöser und Retter, Friede auf
Erden, ja sogar das Ende von Leid und Neid. Das ist der Unterschied, der
den heutigen Blick zwar ehrfurchtsvoll aber weniger getrost sein lässt.
Woher kamen die Engel, woher sprach die Stimme Gottes, woher
leuchtete der Stern?
Aus dem Nichts ist alles gekommen. Wo vorher schwarze Nacht
war, scheint plötzlich das Hoffnungslicht. Wo die Sterne schwiegen,
hebt die Stimmen des Gottesboten an: "...und sie fürchteten
sich sehr". Da tritt eine andere Wirklichkeit in unsere. Alles ist
auf einmal verändert. Zeit und Raum schmelzen auf einen Gegenwartspunkt
zusammen. Der Mensch ist dem nicht gewachsen. Doch gleich danach kippt
das Faszinosum wieder. "Fürchtet euch nicht", die Welt
ist noch nicht zuende. Sie wird nur anders. Was die naiven Hirten in Angst
und Schrecken versetzt, kann die Weisen noch nicht aus der Fassung bringen.
"Als die Weisen den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut. Und gingen
in das Haus und fanden das Kind mit seiner Mutter". Nüchternernheit
und Naivität münden jedoch in die gleiche Konsequenz. Am Ende
sind Hirten und Magier vereint an der Krippe und beten das Kind an.
Wir dürfen dieses Anbeten gern als ein Festhalten an
der aufgegangenen Hoffnung sehen. Beten kommt aus dem Willen, Gott festzuhalten.
Ganz fest, weil man nur zu gut weiß, daß er sich nicht einfangen
und sich nichts vorschreiben lässt. Nachher verschwinden alle Erscheinungen
wieder. Verschwinden im Nichts, woher sie gekommen sind. Es bleibt zurück
ein Kind, ein ganz normales Kind. Sonst nichts. Aber was heißt überhaupt
"nichts"?
Anscheinend ist das Nichts alles andere als leer. Sonst
könnten keine Weihnachtssterne und göttlichen Stimmen daraus
erscheinen. Das deckt sich mit unserem Wissen. Weder Zeit noch Raum sind
leer und vor dem Anfang war auch etwas. Das Nichts ist ein dem Erkanntwerden
abgewandtes Sein. Es ist abwesend von uns. Oder umgekehrt. Wir sind abwesend
von ihm. So ist alles im Leben abwesend vom Tod und im Tod abwesend vom
Leben. Sein oder Nichts, Tod oder Leben - beides kann Rückkehr sein.
Schade nur, dass man über die Grenzen nicht blicken kann. So bleibt
die Rückkehr bloße Vermutung. Und die Klarheit des Weihnachtssterns
leuchtet auch nur kurz. Denn es gilt: Je heller ein Stern ist, desto schneller
verbrennt er. Mit dem Weihnachtsstern ist es schnell zu Ende. Und mit
dem Kind, das reich beschenkt wird wie ein König auch. Nur 33 Jahre
sind ihm verliehen. Er wird hell brennen am geistigen Firmament. Als Wegweiser,
der bis in unsere Zeit hinein leuchtet. Das fasziniert. Wo wir es normalerweise
eher mit den langsamen Brütern halten, Leuten wie Immanuel Kant und
Jürgen Habermas, oder auch den Oberkirchenräten, die bis zur
Pensionsgrenze ihre Vorlesungen halten und alles in bester Ordnung verwalten,
die Vernunft und Sittlichkeit walten lassen zum Wohl und Nutzen des Allgemeinen,
denen nie Überraschendes, Bestürzendes in den Weg tritt. Die
auch niemanden überraschen.
Da war unser Christkind ganz anders. Schon auf dem Weg zu
ihm gibt es manchen Aufenthalt. Manche List und Tücke von Seiten
staatstragender Organe, die sich bedroht fühlen von diesem Unberechenbaren.
Doch Gottes Wege sind bekanntlich höher als unsere. Kluge Männer
lassen sich nicht täuschen. "Ja, ja", sagen sie zum Herodes,
"wir werden uns das Kindlein gut anschauen und dir davon Kunde geben".
Im Traum wird ihnen vollends klar, dass es auch ein anderes Anbeten gibt.
Ein Anbeten der Gewalt, das mit Willkür und Grausamkeit einhergeht.
Welches Risiken vermeiden will, indem es die Riskanten eliminiert, welches
Ruhe und Ordnung erzwingen will, indem es die Welt mit Terror oder Kriegen
überzieht. Das "entweder oder" der Unduldsamen: Mekka oder
Manhattan, Saddam oder Bush, sind das wirklich die Alternativen?
Die Welt ist vielfältiger, gottseidank. Auch unser
multikulturelles Trio aus dem Morgenland lässt sich nicht instrumentalisieren,
schließlich ist man an der Wahrheit interessiert. Herodes und die
anderen "Landpfleger" zu ihrer Zeit bleiben im Bedeutungslosen.
Was bleibt, ist dieses Leben, das aus dem Verborgenen, Bedeutungslosen
kam und aufblitzt wie ein Stern in der Nacht. In seinem Schlaglicht sehen
die Dinge anders aus. Konturen treten hervor:
Was ist wichtig, was nicht?
Wozu sind wir überhaupt auf der Welt?
Was ist lebensdienlich und was nicht?
Es wird die Menschen lehren, dass man haben soll als hätte
man nicht. Dass man es wagen kann zu schenken, weil man wieder hundertfältig
beschenkt wird. Es wird die Unglücklichen selig preisen und die Elenden
zum Gastmal laden. Denn wer liebt, um zu lieben, braucht keinen Lohn.
Er wird kein Vorbild sein im Miesmachen, obwohl seine Lage
mies war. Er wird die Bescheidenen loben und die Maßlosen tadeln.
Und er wird das alles mit zwei Argumenten begründen. Mit dem Argument
der Vorläufigkeit und mit dem Argument der Freiheit.
Zum ersten: Weil diese Welt noch nicht alles ist und Gott
aus dem Nichts alles erschaffen kann, erwarten wir getrost was kommen
mag.
Und zum Zweiten: Weil ihr in dieser vorläufigen Welt
frei seid, das Gute und Richtige jederzeit zu tun.
Nie redet er dem verzweifelten Genussargument das Wort,
welches lautet: "Lasst uns fressen und saufen, denn das Leben ist
so kurz und morgen sind wir alle tot".
Seine Kontrastethik lautet: "Lasst uns fröhlich
sein, denn morgen oder irgendwann bricht ein besserer Tag an. Schon heute
kann es besser werden".
Was gibt es besseres für einen Tag, der ohnehin schon
reich beschenkt ist ?
Uns allen eine frohe und gesegnete Weihnachtszeit .
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