Nachweihnachtliche Gedanken

"Jesus spricht:
Siehe ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende."

Matthäus 28, 20 in Verbindung mit Johannes 1,43-51

Predigttext von Pfarrerin Reinhild Burgdörfer am 2. Sonntag nach Weihnachten

 

Haben wir in "Bethlehem" für uns den gefunden, den wir gesucht haben? Den, von dem wir glauben und weitersagen können,  dass er bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende?

Könnten wir daraufhin andere, Familienmitglieder und/oder Freunde einladen: "Komm und sieh, was ich gefunden habe"? Oder würden wir erstmal fragen, wie etwa Nathanael: Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen? Haben wir das Gefühl, doch schon alles zu kennen und zu wissen, was zum Glauben gesagt werden kann? Was sollte jetzt 1999 Neues zu entdecken sein? Können wir tatsächlich glauben, dass es uns etwas bedeutet, dass der, dessen Geburtstag wir an Weihnachten feiern, auch heute noch bei uns ist, jeden Tag, jede Stunde und Minute unseres Lebens? Oder fänden wir das sogar eher lästig, weil zu kontrollierend?

Es soll ja Menschen geben, die so ein Gefängniswärter-Gottesbild mitbekommen haben, dass es sie krank macht, sich vorzustellen, dass sie vor dem Blick Gottes "in ihre Zelle" nichts verbergen können. Dann haben wir aber den, der uns in seine Nachfolge ruft, gründlich missverstanden. Sein Mit-uns-sein  ist eine Einladung, ein Angebot, das in uns Kraft und Mut freisetzen sollte. Denn wenn wir gefunden haben, wonach wir im Glauben suchen, dann wird sich das schließlich auch darin zeigen, dass unter uns auch solche Menschen einen Platz finden, die sonst nirgends willkommen sind und dass wir auch mit solchen teilen, für die sonst niemand etwas übrig hat: z.B. Asylbewerber und Obdachlose.

Wenn wir so handeln, dann können wir getrost zu Fragenden und Zweifelnden auch sagen: "Komm und sieh!", dann kann sich das Vorurteil, der Kirche ist auch kein Glauben zu schenken, wieder in Vertrauen verkehren, das laut der Umfrage einer Shell Jugendstudie ziemlich abgewirtschaftet ist. Gerade mal vor den politischen Parteien stehen da die Kirchen auf dem vorletzten Platz in der Skala der Organisationen, denen Jugendliche Vertrauen entgegenbringen. An erster Stelle stehen da Umweltschutz- und Menschenrechtsgruppen.

Wenn die Kirchen also auch wieder etwas mehr Menschenrechtsgruppen und solche würden, denen man ihr Engagement für die Schöpfung abnimmt, müssten wir da noch so viele Worte machen? Dann würden wir vielleicht eher mal gefragt: "Warum macht ihr das?" und wir könnten auch den verweisen, der gesagt hat: "Folge mir nach!" und "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende dieser Weltordnung!".

Allerdings  möchte ich auch nicht aus den Augen verlieren, dass die Zusage Jesu, bei uns zu sein, auch denen gilt, die ich nicht verstehe oder verstehen will und die ich womöglich auch nicht mag. Das will und kann mich vor Selbstgerechtigkeit schützen und bringt die not-wendige Nachdenklichkeit mit sich, damit mein Engagement einladend bleibt und nicht vergewaltigend und überfordernd wird. Wenn wir uns am Angebotscharakter, den Jesus mit seiner Botschaft von der Liebe Gottes für jeden Menschen gelebt hat, mehr orientieren könnten, in der Familie, in der Nachbarschaft und wo immer wir uns nach einem guten Miteinander sehnen, dann wären wir wohl 1999 zu friedlicherem Zusammenleben fähig.

"Komm, probiern wir's aus!"

Wir danken Frau Burgdörfer, dass wir ihre Predigt hier veröffentlichen dürfen.

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