Gedanken zum Neid

Gönnen können

Pfarrer Winfried Anslinger am 3. März 2006 in der Sendung "Irritationen" auf SR2/SR3


Gerade zwei Wochen haben wir jetzt unseren neuen Audi. Da müssen diese Meiers mit ner neuen Corvette aus ihrer Garage brausen. 600 PS. Ist mal wieder typisch. Uns geht's ja nix an. Aber dann müssen die überall das Einserabi von ihrem Jüngsten breittreten. Kann einem auch wurscht sein. Aber irgendwie muss man doch auf dem Teppich bleiben.

Schon im Altertum wurde der Neid von Papst Gregor zu einer der sieben Todsünden gezählt. Für eine Todsünden konnte man ohne Umweg in die Hölle kommen. Das Beispiel von Kain und Abel zeigte, wie schlimm es enden kann, wenn man das nicht im Griff hat.
"Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich", lesen wir in der Bibel. Mord und Totschlag, weil Gott den Kain scheinbar benachteiligt.

Jetzt haben Verhaltensforscher herausgefunden, dass Neid auch positive Aspekte haben kann. Er muss einem höheren Zweck dienen, sonst wäre er nicht so tief im Menschen verwurzelt. Doch welchem?

Es werden Schätzungen genannt, wonach etwa 15% der Bevölkerung zu hemmungsloser Gier neigen. Jeder kennt die egoistischen Trittbrettfahrer, die wenig Skrupel zeigen. Lässt man sie gewähren, zerstört ihr Verhalten das Vertrauen des Einzelnen in die Gutwilligkeit und Kooperationsbereitschaft der anderen. Eine Gesellschaft mutiert zur Räuberbande. Wichtig für ein Funktionieren des Zusammenlebens sei daher, diese Spielverderber zu entdecken und gegebenenfalls zu strafen.

Dazu dient ein Wahrnehmungssystem, eine Art Fairness Detektor, welchen schon Kinder im Alter zwischen 3 und 8 Jahren entwickeln. Achtjährige verzichten lieber auf eine Tüte Gummibärchen, wenn sie nicht gerecht – halbe halbe - geteilt wird. Erst durch Fairness kann echte Freundschaft entstehen, und gemeinsames Handeln. Auch im Großen. Wozu sonst haben wir so viele Gesetze? Ihr Maßstab ist die Gerechtigkeit.

Der positive Aspekt des Neids jedoch scheint darin zu bestehen, dass er zur Gerechtigkeit führen kann. Denn ein Impuls der Kinder, lieber zu verzichten, als benachteiligt zu werden, verdankt sich dem Neidgefühl. So könnte man zugespitzt sagen: Der Neid scheint der ungezogene, liederliche Vater der Gerechtigkeit zu sein.

 

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